Durch den gesellschaftlichen Wohlstand in Deutschland ist die Spendenbereitschaft von Gütern an das Sozialkaufhaus groß. Wenn etwas nicht mehr modern ist, man es einfach nicht mehr schön findet oder man sich neu einrichten möchte, werden die nicht mehr gebrauchten Güter aussortiert. Durch das Bewusstsein, dass diese aussortierten Güter noch in einem Zustand sind, welche noch nicht der Entsorgung zugeführt werden müssen und damit unnötig Müll produzieren würden, werden Alternativen der Weitergabe gesucht. Mit dem sozialen und ökologischen Gedanken, dass Andere (weniger Wohlhabende) an den Gütern Freude hätten, verschenken die Spender die Güter.

Durch die Annahme und den Verkauf gebrauchter Güter leistet ein Sozialkaufhaus einen entscheidenden Beitrag zur Rückführung von Waren in den Benutzerkreislauf. Sachen die sonst auf dem Sperrmüll landen würden, wie das ausrangierte Sofa, findet einen neuen Platz in einer anderen Wohnung. So entsteht ein nicht zu unterschätzender Recyclingprozess, der nachhaltig die Umwelt schont. Jedes einzelne verkaufte Stück verlängert deren Lebensdauer und muss nicht neu angeschafft werden. Bewusst kann Jeder für sich entscheiden, ob er sich eine Neuware anschafft, welche das Ökosystem belastet oder einer bereits genutzten Ware dem Vorrang gibt. Fakt ist, dass dieser Kauf ein aktiver Beitrag ist, welcher zur Schonung der Ressourcen beiträgt.

Für den Landkreis Lörrach trägt ein Sozialkaufhaus dazu bei, Recyclinghöfe und Mülltonnen zu entspannen und damit entstehen weniger Kosten für die Müllentsorgung beim Landratsamt.

Ökologische Vorteile gebrauchte Güter zu erwerben:

  • Die Lebensdauer des bereits vorhanden Gutes wird verlängert
  • Die Güter sind bereits vorhanden, müssen nicht mehr produziert werden, womit
    • kommerzielle, zweifelhafte Arbeitsbedingungen,
    • Ressourcenverschwendung und
    • lange Transportwege verhindert werden
  • Natürliche Ressourcen werden damit geschont und nachhaltig genutzt
  • Es werden keine neuen Rohstoffe benötigt, auch
  • neue chemische Stoffe und Gifte werden nicht verwendet
  • Gebrauchte Kleidungsstücke und Möbel sind für die Gesundheit unbedenklicher als Neuware, da durch mehrmalige vergangene Waschgänge Chemikalien in den Fasern verloren gegangen sind
  • Die Belastung auf Mensch und Umwelt wird verlangsamt
  • Second Hand ist Klasse statt Masse
  • Aus alt mach neu: Aufbereiten statt ständig neu konsumieren müssen
  • Weg von der Wegwerfgesellschaft: Wiederverwerten statt wegschmeißen

Das Sozialkaufhaus wird von unterschiedlichsten Menschen besucht. Babys mit ihren Eltern, Kindern bis zu betagten Senioren sind anzutreffen. Es ist eine Durchmischung der Kundschaft allen Milieus und jeder Nation zu erkennen.

Im ersten Augenblick, wenn es Kunden nicht gerade durch das Eingangsschild registrieren, erkennen sie nicht unbedingt sofort, dass sie sich in einem Sozialkaufhaus befinden. Erst auf dem zweiten Blick sehen sie, dass die Ware nicht neu ist und die Preise entscheidend günstiger sind, als in der „normalen“ Verkaufswelt. Bei der Beratung merken die Kunden dann auch, dass sie kein Fachpersonal berät, sondern eine bunte Mischung von engagierten Menschen. Oft wird das Personal dann gefragt, ob sie als nicht „Bedürftige“ hier einkaufen dürfen. Die Antwort ist ganz klar: „Ja, bei uns darf Jeder einkaufen“. Die AWO hat sich bewust dafür entschieden um die Würde aller Menschen zu achten und den ökologischen Effekt zu stärken.

Das Kaufverhalten der Kundschaft ist dabei unterschiedlich und nach Verfügung der finanziellen Mittel ausgeprägt. Viele Menschen kaufen gezielt Waren (vermutlich Menschen mit Bezugscheinen oder Menschen die mit ihrem Einkommen etwas über die Berechtigung des Bezugsscheines liegen und auch Senioren*innen, welche mit einer geringen Rente auskommen müssen) welche sie benötigen, wie einen neuen Kochtopf, eine Tasche oder einen günstigen Schrank. Andere suchen nach etwas Besonderem wie etwas zum Lesen, Dekorationsartikel oder einem außergewöhnlichen Möbelstück. Es gibt Kunden*innen, welche gezielt die älteren Waren, wie ein Tonbandgerät, eine alte Nähmaschine oder einen antiken Schrank bevorzugen. Manche Kunden*innen kommen, um den Güterkreislauf gezielt nutzen zu können. So gibt es Stammkunden, welche sich Bücher kaufen, diese beim nächsten Einkauf wieder spenden und dann wieder Bücher erwerben. Generell können viele als Stammkunden bezeichnet werden. Es gibt Kunden*innen welche täglich, manchmal sogar mehrmals täglich kommen um zu schauen, was die Belegschaft an neuer Ware zum Verkauf anbietet. Es entstehen dabei oft Gespräche. Die Kundschaft kennt sich oft untereinander und das Sozialkaufhaus wird als Plattform der Kommunikation genutzt. Die Ehrenamtlichen und Mitarbeiter*innen nehmen sich für die Kundschaft Zeit, um mit Geduld zu beraten und auch ihre Geschichten, Sorgen und Nöte, der meist älteren Menschen anzuhören.

In einem Bericht des AWO Bundesverbandes über das „Schatzkästlein“ stand: “Doch womit niemand gerechnet hatte: Wer eigentlich nur bei Bedarf zum Einkaufen kommen wollte, kam häufig immer wieder. Für den netten Schwatz, das gemeinsame Lachen, das schöne Wiedersehen. Aus dem Konsumort wurde ein sozialer Begegnungsraum – und zwar längst nicht nur für die Kunden.“
(Rotter, 2018, manchmal-muss-man-eben-puzzeln)

Ein Sozialkaufhaus braucht für seine Funktionalität eine gute Organisation und gutes Personal. Die Schlüsselstellen wie die Leitung, die Besetzung der Kasse, die Fahrer*innen des Transporters und die Besetzung der Administration im Büro sind durch Angestellte organisiert.

Der AWO Kreisverband betreibt dabei eine soziale Personalpolitik. Bei kommerziellen Anbietern geht es bei der Personalpolitik eher darum, dass die Arbeitskraft der Arbeitnehmer dem Unternehmen voll dienen kann. Risiken wie Gesundheitsgefährdung oder körperliche Einschränken sind dabei hinderlich. Die AWO sieht sich als dritten Arbeitsmarkt, also hat sie Stellen geschaffen, die von Menschen ausgeführt werden können, welche auf dem ersten Arbeitsmarkt schlechtere Chancen besitzen. So arbeiten im Sozialkaufhaus unter anderem psychisch Angeschlagene, Suchtgefährdete, Menschen mit Behinderung, chronisch Kranke sowie Menschen mit unterschiedlichen Religionen und Kulturen.

Zusätzlich sind viele ehrenamtliche, fleißige Helfer*innen nötig, damit die Ware angenommen, sortiert, ausgezeichnet und im Verkaufsraum präsentiert wird. Während der Öffnungszeiten braucht es Beratung und Verkaufsgespräche mit der Kundschaft und immer wieder Ordnung Schaffende.

Bei der Sortierung der Ware und vor allem beim Transporterteam wurden Stellen für Langzeitarbeitslose geschaffen. Hier werden wir vom Jobcenter Lörrach und der Agentur der Arbeit  durch Programme wie AGH und SGB16i unterstützt.

Gleichzeitig begleitet die AWO Menschen, welche ihre Sozialstunden bei uns ableisten.

Auch junge Menschen sind im Sozialkaufhaus eingebunden. Die AWO bieten Stellen für ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) oder Bundesfreiwilligendienst (BFD) an. Außerdem ist der AWO KV Lörrach als Praktikumsstelle bei Schüler*innen beliebt, welche im Unterrichtsfach „Themenorientierten Projekt Soziales Engagement“ (SE) ein Praktikum absolvieren müssen. Weitere Schüler*innen kommen im Rahmen des Unterrichtsfachs „ Verkauf“  jede Woche für drei Stunden ins Sozialkaufhaus und werden fachmännisch betreut.

Mit Flüchtlingsintegrationsmaßnahmen bittet das Sozialkaufhaus für Geflüchtete über ehrenamtliche Aufgaben, einen Ort zum alltäglichen Deutsch lernen und sozialer Kontakte zu knüpfen.

Eine Herausforderung ist im Sozialkaufhaus die Preisgestaltung der Waren. Da die Waren nicht eingekauft werden müssen, gibt es keine Mindestpreise (Beschaffungskosten). Mit Sorgfalt wird darauf geachtet, die Preise fair fest zu legen. Ein überwiegendes Ziel dabei ist, die Ware preisgünstig anzubieten. Auf irreführende Preisgestaltung, wie in kommerziellen Läden oft gehandhabt (9,99 € anstatt 10 €) wird gezielt verzichtet. Dazu gibt es eine 50 Cent Staffelung. So kostet z.B. eine Kaffeetasse 0,50 € und ein Geschirrservice je nach Zustand 2 € oder 4 €. Ein Sessel z.B. 20 € und ein Schrank 90 €.
Dies schafft eine klare Struktur und die Kunden*innen behalten eher den Überblick über die Gesamtkosten.

Waren, welche vom Preis in kommerziellen Läden zu den hochwertigeren Artikeln wie „Retro-Mode“, „Shabby-Chic“ oder „Vintage“ zählen, werden zu einem angepassten Preis angeboten.
Dort orientiert man sich bei der Preisgestaltung an Internetverkäufen von gebrauchten Waren. Diese Waren entdecken eher die Kunden*innen, welche das Besondere („Schätze“) suchen.

Gefeilscht um die Preise wie auf Flohmärkten wird im Kaufhaus nicht. Die Preise sind festgelegt und gelten.

Mit der Grundlage der AWO Leitlinien wurden in einem Workshop die eigenen Sozialkaufhausleitlinien und Werte durch Mitarbeitenden erarbeitet. Dabei stellten die Teilnehmenden fest: „Unser Sozialkaufhaus ist mehr als „nur“ ein Kaufhaus“. Die Erarbeitung zeigte die Vielseitigkeit des Kaufhauses und ihrer Menschen auf und dass der Respekt untereinander gelebt werden möchte. Die Mitarbeitenden im Sozialkaufhaus führten sich durch die Erarbeitung und Etablierung der Leitlinien an ein Verständnis für alle Menschen heran und stellten fest, dass durch die Zusammenarbeit unterschiedlichster Personen die Angst vor dem Fremden genommen wird. Gerade in der heutigen Zeit, in der die Gesellschaft mit vermehrtem Rechtsruck, setzt die AWO mit ihren Werten einen Gegenpol. Durch den gezielten solidarischen Umgang mit verschiedenen Nationen leistet das Sozialkaufhaus einen großen Beitrag zur Völkerverständigung. Genauso gehört die Integration von geflüchteten Menschen als soziales Ziel der AWO.

Wir hoffen, dass wir Ihnen einen Einblick in unserem vielseitiges Leben im Sozial -Nachhaltigen- Kaufhaus geben konnten.
Wenn es Ihr Interesse an einer Mitarbeit geweck hat, melden Sie sich gern bei der Geschäftsführerin Ina Pietschmann.

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Über diesen Podcast

„Ordnung trifft“ ist dein Podcast für den Blick in die Welt der Ordnung. Verena trifft Ordnungslover, Reisende auf dem Weg zu ihrem geordneten Ich und weitere tolle Persönlichkeiten, die sich dem doch gar nicht so langweiligen Thema Ordnung verschrieben haben. Freu dich auf neue Perspektiven, spannende Einblicke und den ein oder anderen „aha“ Moment. 🙂 Let’s get to it!

Ordnungscoach Sarah Kiefer trifft Ina Pietschmann, Geschäftsführerin des Awo-Kreisverbands und Denise Hentschel, Leiterin des Sozialkaufhauses „Schatzinsel“.

Den kompletten Podcast hier anhören

 

Gemeinsam schauen sie in jede Ecke. Von der Entstehungsgeschichte, über das Spendenverhalten bis zu skurrilen Gegenständen und klären folgende Fragen:

  • Wer darf im Sozialkaufhaus einkaufen?
  • Wieso werden die Sachen dort nicht verschenkt?
  • Was kann gespendet werden?

Sarah Kiefer ist Ordnungscoach für chronische Desorganisation zwischen Hochrhein und Schwarzwald, sowie online https://diekleineschublade.de

Eine wichtige Botschaft vorweg: Im Sozialkaufhaus sind Spenden willkommen, die du selbst noch nutzen würdest, wenn du sie noch bräuchtest oder mögen würdest.